Artikel in der Wolfurt Info:
Beispiel 1
Als Frau M. stirbt, steht Herr M. allein da. Die Kinder sind in Wien und bisher hat Frau M. ihrem Mann im Alltag geholfen, gekocht, ihn beim Aufstehen und Rasieren unterstützt. Pflegegeld bezieht er nicht, seine Frau hat alles gemacht. Plötzlich fällt diese Hilfe weg, Herr M. fühlt sich einsam und hilflos. 2 Monate später ruft die Tochter aus Wien bei der Gemeinde an; jetzt muss alles schnell gehen. Hätte dies im Vorfeld bereits gesehen und vorbereitet werden können?
Beispiel 2
Thomas ist 14 Jahre alt, hat zwei jüngere Schwestern und Probleme in der Schule. Seine Noten haben sich in den vergangenen 2 Jahren stark verschlechtert, er wirkt müde und reagiert aggressiv auf seine Mitschüler:innen, wird gemobbt, weil seine Kleidung oft ungepflegt wirkt. Was ihm zu peinlich ist zu erzählen: Seine alleinerziehende Mama leidet unter starken Depressionen, seit sie ihren Job verloren hat. Thomas kümmert sich um den Haushalt, die jüngeren Geschwister und macht sich Sorgen um seine Mama. Wie erreichen wir Thomas und können die familiäre Situation lösen?
»Der bisherige Wolfurter Weg in der Pflege hat sehr gut funktioniert. Die demografische Entwicklung erfordert jedoch einen neuen Weg.«
Yvonne Böhler, GRin für Soziales Miteinander.
Dieser neue Weg in Wolfurt beinhaltet, mehr Jahre in Gesundheit zu verbringen und sich unter anderem bewusst mit den Themen Alter, Pflege und Betreuung auseinanderzusetzen – vorsorgen, vernetzen und so lange wie möglich aktiv und selbstständig zu bleiben! Zudem werden pflegende Angehörige – – insbesondere Young Carers – in ihren Tätigkeiten unterstützt. Hier setzt das Projekt Community Nursing – finanziert von der EU (NextGenerationEU) an. Diplomierte Pflegefachkräfte stellen den Kontakt zu Menschen Ü65 her, werden präventiv tätig, mit Hausbesuchen, Beratung, sozialem Miteinander; denn oft braucht es nur Kleinigkeiten, um die Lebensqualität zu erhalten und eine Pflegebedürftigkeit zu verschieben. Sollte dennoch eine Pflegebedürftigkeit eintreten, so besteht bereits ein Kontakt, die Pflege ist planbarer, eine Win-win-Situation für alle.
Dieser neue Weg wurde bereits durch die Neuaufstellung des Gesundheits- und Krankenpflegevereins Wolfurt im Jahr 2021 begonnen. Der Fokus liegt nicht nur auf der Betreuung und Pflege von bereits pflegebedürftigen Menschen, sondern auf der Erhaltung der Gesundheit und Lebensqualität. Das Projekt Community Nursing ergänzt dieses Angebot ideal.
Community Nursing bereichert die Tätigkeit von diplomierten Pflegefachkräften. Neben der Pflege und Versorgung steht Zeit für die Gesundheitsförderung zur Verfügung, für Gespräche mit noch nicht pflegebedürftigen Menschen. Das kann langfristig zu einer Entlastung des Pflegesystems führen. Wir sind derzeit auf der Suche nach diplomierten Pflegekräften zur Ergänzung unseres Teams im neuen Gesundheits- und Krankenpflegeverein Wolfurt.
Fakten-Check
- Von den 8.674 Wolfurter:innen sind 1.517 (17 %) über 65 Jahre alt. Davon leben 384 Personen allein, 33 Personen sind im Pflegeheim.
- Im Schnitt werden 80 % der zu Pflegenden daheim gepflegt. Drei Viertel der pflegenden Angehörigen sind Frauen, davon sind 51 % berufstätig und stehen unter Doppelbelastung.
- In den nächsten 10 Jahren wird mit einer Steigerung von 60 % in Pflegeeinrichtungen gerechnet. Bereits jetzt können die offenen Stellen kaum durch Absolventen abgedeckt werden.
- Die Zahl der pflegenden Kinder und Jugendlichen im Alter von 5–18 Jahren beträgt in Österreich ca. 42.700.
- Bei Umlegung der Zahlen für Österreich muss mit ca. 44 Young Carers in Wolfurt gerechnet werden. Die Dunkelziffer ist hoch, die Auswirkungen auf die Zukunft dieser Kinder und Jugendlichen enorm.
Kontakt: Maria Claeßens, .
Download: Wolfurt Info April 2022 S.40